19. November [10]

Welttoilettentag der Vereinten Nationen. Lang ist es her, dass die Zwerge edel verzierte Toiletten nutzten. Es muss zur Zeit der letzten Riesen gewesen sein. Heute begnügen sich auch diese kleinen Wesen mit herkömmlichem Porzellan. Der Grund für den Niedergang ihres Brauchtums bleibt im Nebel der vergangenen Jahrhunderte verborgen. Waren die einstmals ausgeschmückten Rückzugsorte der rektalen Erleichterung nicht wundersam von Zauberei beseelt? Spiegelte sich der Wert der Ausscheidung im Utensil wider? Andererseits, ist die Rückbesinnung auf längst vergangene Traditionen nicht ebenso gefährlich wie der unreflektierte Fortschrittsglaube? In der britischen Gegenwart verschwand unlängst eine 18-karätige Toilette aus dem Blenheim-Palast im Wert von etwa 1,1 Mio. Schweizer Franken. Vermutlich haben dieses Sitzmöbel die Zwerge schon längst eingeschmolzen und zu Blattgold verarbeitet. Es ist wohl für die Wiederbelebung einer längst vergessen geglaubten Tradition.

Der Stuhl für den Zwerg.

Die Taube im Wandhydrant

Lenz durchstreift die Straßen der Stadt ausgreifenden Schrittes. Er saugt die herrlich kalte Neujahrsluft tief in die Lunge ein, die Nasenflügel weit gespreizt. Es ist eine Erkundungtour in aufgeräumter Stimmung und bald schon kommt Lenz auf dem Dach eines Parkhauses zum stehen. Es dient in Pandemiezeiten als luftiger Treffpunkt für unruhige Geister. In einem ausgeräumten Wandhydranten hat sich ein Künstler namens Vogel verewigt. Lenz weiß: Waver Bof. wohnt nicht weit, ob er mit Vogel unter einer Decke steckt? Beide treiben jedenfalls existentielle Fragen um.