25. Mai [2]

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Kunstwickel eines Unbekannten. Die verzierte Magnolie wirkt gelöst.

Welttag des Handtuchs. Der urbane Raum wird per definitionem vom Menschen gestaltet. In kleineren Städten ist seit einiger Zeit ein Phänomen zu beobachten, dass sich mit dem Begriff Urban Towel Art umschreiben lässt. Die Kunst ein Handtuch zu wickeln, findet hier unter jungen Künstlern immer mehr Verbreitung. Ob Baumstämme, Laternenpfähle, stählerne Tore oder ähnliche Einrichtungsgegenstände des öffentlichen Raums, nichts vermag sich dem Zugriff der jungen Handtuchavantgarde zu widersetzen.

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Kniffliger Torhängwickel von Sling N. Sief, einem führenden Urban Towelist.

Behänd wird das Textil geschlungen und schon zeugt ein bunter Fleck im Stadtbild vom unbändigen Gestaltungsdrang der Jugend. Dem betagten Betrachter bleibt die unterschwellige Botschaft dieser hingeklecksten Kunstwerke meist verschlossen, doch sollen schon Wickler älteren Semesters gesichtet worden sein.

So treiben die vorwärts drängenden Heißsporne ihr heiteres Spiel und dem Betrachter steht ein wohlwollendes Staunen gut an, vor diesem munteren Reigen.

19. November [2]

Welttoilettentag der Vereinten Nationen. Wir treiben durch unruhiges Gewässer. Die Gischt spritzt hoch. Und doch ist da ein Stückchen Routine geblieben, das uns Halt geben kann. Es ist der Gang zur Nasszelle, Ort der inneren Einkehr. Er hilft uns beim gedanklichen Großreinemachen. Wir setzen uns, wir sortieren uns, wir kommen allmählich zur Ruhe.
Es ist gut.
Die Anspannung weicht, Demut erfüllt uns. Demut vor diesem kleinen, unscheinbaren Wunder der Zivilisation. Seien wir dankbar für jedes aufgeräumte Örtchen, das wir finden können. Es geht auch anders! Wir ahnen es bereits.

WTT2WC en perdition. (Bedrohtes Örtchen)
Installation von Jean-Pierre Meunier 2015.

De nouveau bâtiment – pièce T

SanFranciscoHochhausschlucht

Dicht an dicht und mit stählerner Eleganz rammen sie ihre stumpfen Köpfe ins tadellose Blau des Nordfirmaments. Hin und wieder trifft man ein betagteres Exemplar, das sich kokett an seine voluminöseren Neffen schmiegt. Wir stehen mit beiden Füßen im unbestimmten Tanz nach der Moderne und wissen uns gut aufgehoben. In diesem allzu freundlichen Häuserwald findet der aufgeschlossene Betrachter endlich Selbstbesinnung und inneren Ausgleich. Erhabene Zwerghaftigkeit!

Die Tage des andern Chief – II

Freitag 17.07.15, 9.17 Uhr (Eine Falle für den Chief)

Als ich beschwingt und leichtfüßig vom Einkauf heimkehrte, fand ich den Chief handlungsunfähig eingeklemmt unter meinem Fernsehschränkchen vor. Still saß er da, geduldig meiner Heimkehr harrend. Ich befreite ihn, streichelte ihn kurz und grenzenlos unbekümmert setzte er sein Werk fort. Ein lange zurückgehaltener Seufzer entrang sich meinem Inneren.EineFalleFürDenChief

Die Tage des Chiefs – I

Dienstag 14.07.2015, 12:08 Uhr

Der Chief ist da! War nach dem Läuten der Türglocke zunächst unentschlossen wegen des bisher so herrlich ungestörten, freien Tages, gab dann aber doch der Neugier nach. Er stelle es grade eben hinter die Gartenpforte, versicherte mir die Gegensprechanlage, da schwante es mir schon und so wars dann auch: Leicht lädierten Kartons lehnte er am Gartenzaune und begann seinen Sirenengesang zu säuseln.

Dienstag 14.07.2015, 15:03 Uhr

Der Chief saugt munter den roten Salon, kommt aber anscheinend nicht so richtig auf den Teppich klar. Ist ihm wohl zu „leicht“ und am falschen Platze, wird er sich aber mit abfinden müssen. Der Teppich macht das Zimmer erst richtig gemütlich, also bleibt er!

Dienstag 14.07.2015 ca. 15:30 Uhr

Habe mich ins Schlafzimmer zurückgezogen, während der Chief draußen rumort. Ich hoffe er verletzt sich nicht…

Dienstag 14.07.2015, 16:00 Uhr

Seit einer halben Stunde ist es ruhig und ich habe meine Buch beendet. Ich finde den Chief unverletzt und tatendurstig. Kurzentschlossen sperre ich ihn ins Schlafzimmer, um den Rest meines Heims ungestört lüften und auf etwaige Schäden begutachten zu können. Als ich vom Balkon aus ins Schlafzimmer blicke, sehe ich wie er den Nachttisch vor die Tür rückt.

Dienstag 14.07.2015, 17:30 Uhr

Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, rief er mich und ich habe ihn rausgelassen. Gab ihm dann was zu fressen und wies ihm sein Zimmer an. Scheinbar schläft er jetzt.

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De nouveau bâtiment – pièce Z

Lesekammern

Grau und matt würfelt sich dieser architektonische Wunschtraum in die Stadtlandschaft. Hundesatt pumpt die offen gelassene Verkehrsader ihre glitzernden Schwaden an den engen Lesekammern vorbei. Käsige und weniger käsige Studenten mampfen Wissen hinter glänzenden Fenstern und sehnen sich nach sprudelnden Erfrischungsgetränken und begurktem Käsebrot. Der Morgen frisst den Abend und der Abend frisst den Morgen.